Was sind die Effekte glücklichen und gesunden Singens auf den Organismus und die Umwelt? Macht singen glücklich?
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Singen und Musizieren kann im Menschen ein sogenanntes Flow-Erlebnis (Csikszentmihaly, 1985) bewirken. Glück und Freude werden dabei als Begleitphänomene sogenannter autotelischer, also selbstbestimmter, intirinsisch motivierter Aktivitäten gefasst. Er definiert dies als eine der Bedingungen für ein "Flow"-Erlebnis, ein Sich-Selbst-Vergessen, ein Aufgehen in der Handlung. Dadurch, dass man sich vollkommen auf eine Handlung konzentriert und damit der Fokus nach außen (auf die Handlung) gerichtet ist, wird das innerpsychische Chaos verringert, die Fähigkeit, flexibel zu reagieren, erhöht und der Blick für neue Lösungen geschärft. Somit können die negativen Wirkungen von Stress gemildert werden. Psychisches Wohlbefinden wird durch das Gefühl genährt, sich in seiner eigenen Haut und in seinem eigenen Leben wohl zu fühlen und das bedingt, dass man das eigene Leben als sinnvoll erachtet und Freude an den eigenen Aktivitäten findet. Weiters wird psychische Gesundheit zu einem wichtigen Teil durch Selbstachtung und die eigene Wertschätzung genährt. Menschen, die sich häufig in diesem Flow-Zustand befinden, bringen sich selbst mehr Achtung entgegen. Ein Flow-Erlebnis stärkt die Person, da sich nach Beendigung der Leistung ein Erfolgsgefühl und ein Gefühl der Zufriedenheit einstellt.
Abb. 75: Verschiedene Motivationsformen in Abhängigkeit von Kompetenzen und situativen Herausforderungen (unter Verwendung eines Schemas von Csikszentmihalyi & Rathunde, 1993, zitiert nach Schneider & Schmalt, 2000, S. 91) Bei Vorliegen der richtigen Balance zwischen Herausforderung und Können (Csikszentmihaly, 1985) ist beim Singen eben dieses Fließen mit all seinen gesundheitspsychologischen Auswirkungen möglich. Auch die zweite Ausprägung des Flow, nämlich die Verschmelzung von Körper und Geist, wird immer wieder von Sängern während der Interpretation eines Stückes empfunden. Nach Kummer (2002) kann das Konstrukt „Glücklich sein, Freude, Genuss, positive Gefühle, Wohlgefühl und Befriedigung“ als eine von sieben Gefühlsdimensionen beim Flow-Erleben im klassischen Gesang definiert werden. Die gegenseitige Beeinflussung der Komponenten Gesang, Glück und Flow-Erleben scheint dadurch bestätigt.
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Es hat sich gezeigt, dass Musik im allgemeinen bei Hörern nicht nur Stimmungsänderungen hervorrufen kann sondern dass diese auch in hohem Maße gleichförmig sind. In einer Untersuchung von Gatewood (1927) wurde folgende Rangordnung der beim Zuhören ausgelösten Emotionen erstellt: sadness, joy, rest, love, longing, sirring, dignity, reverende, amusement, irritation, disgust (gereiht nach der Häufigkeit). Jaedicke (1971, zitiert nach Strobel & Huppmann, 1997) nimmt an, dass gemeinsames Singen durch Regulierung "psychophysischer und kommunikativer sozialer Störungen" neurotisches Fehlverhalten spontan korrigieren kann. Gute Ergebnisse seien erzielt worden bei älteren Menschen mit depressiven, angstgetönten oder hypochondrischen Symptomen, bei Migränepatienten, bei Patienten mit depressiver Persönlichkeitsstruktur und bei jüngeren Asthmatikern. Bei letzteren sei es zu einer Herabsetzung des Angstmoments, der Anfallshäufigkeit und der Verkrampfung gekommen (S.110). Gillert (1961) machte bei der Behandlung schizophrener Patienten die Beobachtung, dass nach anstrengenden Übungen ein Seufzer oftmals der erste Laut war, den diese spontan hervorbrachten. Durch eine bewusste Wiederholung und Dehnung dieser Äußerung war ein nahtloser Übergang ins Singen zu erreichen. Über einfache Volkslieder gelang es dann, den Mutismus zu durchbrechen und eine Hinwendung zur Umwelt zu erreichen.
++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++ Schmölz (1987, zitiert nach Müller, 1994) spricht bei psychosomatisch Kranken von dem Erleben der musikalischen Improvisation als einem neuen, oft als Risiko empfundenen Handeln, bezeichnet aber Anregung und Motivierung zu freier experimenteller Verwendung des musikalischen Materials als wichtige Voraussetzungen, ein eingeschränktes Ausdrucksverhalten zu erweitern. Das eingeschränkte Ausdrucksverhalten bei psychosomatischen Patienten beschreibt er mit Verarmung an Phantasien, Einschränkung in der Wahrnehmung von Gefühlen und Unfähigkeit, diese auszudrücken, ein Sich-Verlieren in Details des somatischen Bereichs und Unfähigkeit zur dynamischen Kommunikation. Er formuliert als ein Therapieziel einen "Entsomatisierungsprozess", womit er eine Ausdrucksverlagerung vom somatischen in den emotionalen bzw. verbalen Bereich meint. Steht beim Singen oder im Gesangsunterricht normalerweise der therapeutische Effekt nicht im Mittelpunkt, wäre es doch von Vorteil, wenn Ausbildner und Interpreten auch über diese psychosomatischen Zusammenhänge informiert wären. Hierzu verweise ich auf die Ausführungen im Kapitel "Glücklich singen". Singen sollte für den Organismus angenehm und "gesund" sein. Nur so kann es positive psychosomatische Reaktionen mit sich bringen. Nur so ist ein "sich-glücklich-Singen" möglich. Gemeinsames Singen kann Freude bereiten, "wenn man es richtig anfängt" (Franke, 1961). Neben den bewegungstherapeutischen Einsatzmöglichkeiten von Musik und Tanz in der physikalischen bzw. physiotherapeutischen Arbeit gibt es viele Möglichkeiten von durch Musik initiierte Atemtherapien. Singen, Spielen von Blasinstrumenten und von Musik "getriebenen" Atembewegungen zur Vertiefung der Zwerchfellatmung sind sinnvolle Hilfen bei der Überwindung z.B. neurogener oder posttraumatischer Atemstörungen (Behrens, 1985, zitiert nach Spintge & Droh, 1992). Thaut (1991) konnte muskelphysiologische Effekte von Musik nachweisen. Tateno et al. (1988) berichten von Erfolgen bei Asthmapatienten. Neben den physiologischen Effekten einer musikunterstützten Atemtherapie hebt er vor allem die psychologischen, angstmindernden Wirkungen hervor. Nach mehrwöchigem Training zeigten die mit Musik behandelten asthmatischen Kinder im Vergleich zu nicht mit Musik behandelten Kindern eine deutliche Verbesserung des Atemstoßes, und das selbst während eines Asthmaanfalles. Erwähnenswert scheint, dass Tateno sogar eine eigene Asthma-Symphonie für asthmatische Kinder komponiert hat. +++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++
Die neuronalen Muster, die das Substrat eines Gefühls darstellen, erwachsen aus zwei Klassen von biologischen Veränderungen: Veränderungen, die mit dem Körperzustand zu tun haben und Veränderungen, die den kognitiven Zustand betreffen. Veränderungen, die sich auf den Körperzustand beziehen, werden durch zwei Mechanismen hervorgerufen: Einerseits humorale Signale (chemische Nachrichten, die sich über den Blutkreislauf ausbreiten), andererseits neuronale Signale (elektrochemische Nachrichten, die von Nervenbahnen übertragen werden). Unter dem Einfluss beider Signalarten verändert sich die Körperlandschaft und wird anschließend in somato-sensiblen Strukturen des Zentralnervensystems repräsentiert. Diese Veränderung in der Repräsentation der Körperlandschaft nennt Damasio (1999) die "Als-ob-Körperschleife". Bei diesem alternativen Mechanismus wird die Repräsentation von körperbezogenen Veränderungen direkt in sensorischen Karten des Körpers hervorgerufen, die von anderen neuronalen Regionen kontrolliert werden, wie etwa dem präfrontalen Kortex. Es hat den Anschein "als ob" der Körper wirklich verändert worden wäre, was aber nicht der Fall ist. Auch der kognitive Zustand wird durch Emotionen verändert, indem bestimmte chemische Stoffe in Kernen des basalen Vorderhirns, des Hypothalamus und des Hirnstamms ausgeschüttet und sodann in andere Hirngebiete befördert werden. Wenn diese Kerngebiete bestimmte Neuromodulatoren (z.B Monoamine) in die Großhirnrinde, den Thalamus und die Basalganglien ausschütten, bewirken sie mehrere beträchtliche Veränderungen der Gehirnfunktionen.
Generell können folgende körperliche Reaktionen beim Hören von Musik auftreten:
Kramer (1998) weist auf physiologische Komponenten beim Singen und Musikhören hin. Die Eustachische Röhre, die als Verbindungskanal zwischen Mittelohr und Nasen-Rachenraum fungiert, dient nicht nur dem Druckausgleich, sondern stellt auch zwischen Hören und Singen eine unmittelbare Beziehung her. Ebenfalls in Beziehung mit dem Singen und Hören steht das Atemsystem, denn wenn wir einatmen, senkt sich (wie im vorigen Kapitel ausführlich dargelegt) das Zwerchfell und dieser Druck wirkt wiederum auf die Rückenmarksflüssigkeit. Dieser Druck pflanzt sich ins Gehirn fort und löst dort eine leichte Verschiebung des Gehirns nach vorne und oben aus. Im Ausatmen löst sich der Druck, die Rückenmarksflüssigkeit fließt unter der Entlastung wieder abwärts. Und diese Flüssigkeit steht mit der Labyrinthflüssigkeit des Ohres in Verbindung. Somit wirkt das Ein- und Ausatmen auch im Ohr. Diese ins Schwingen geratene Luft- und Wassersäule überträgt sich beim Singen bis ins Ohr. Weiters weist sie darauf hin, dass Hören auch durch das Knochensystem (über die sogenannte Knochenleitung) und durch die Haut und die Körperhaare, die ihrerseits wiederum periphere Nervenenden besitzen, erfolgt. +++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++
Tsao et al. (1989, zitiert nach Müller, 1994) untersuchten den Einfluss von Musik, Imagery und kombinierter Musik-Imagery auf das Immunsystem bei 99 Collegestudenten. Die Gruppen mit Musik und Imagery allein zeigten signifikante Anstiege der sIgA-Levels, die Gruppe mit kombinierter Therapie nicht. Scartelli (1992) und Maranto & Scartelli (1992, jeweils zitiert nach Müller, 1994) meinen, dass Musik durch ihre Potenz eine Person sowohl auf der biomedizinischen als auch auf der psychosozialen Ebene individuell anspreche und einen wichtigen Beitrag zur Gesundheit leisten könne. Wichtig wäre es, die "richtige" Musik auszuwählen. Charnetski et al. (1989, zitiert nach Müller, 1994) fanden bei der Präsentation von Dur- und Moll-Musik verschiedene Effekte auf das sIgA: Dur-Musik steigerte die sIgA-Konzentration signifikant, Moll-Musik oder Raumlärm veränderten die slgA-Konzentration nicht signifikant.
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Musikpsychologie als Brücke zwischenMusikpsychologie als Brücke zwischen Mensch und Musik. Mensch und Musik. |